Es ist soweit. Heute ist der Gedenktag der Corona-Toten!
Heute geht es nicht um sie!
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Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich so aufrege, weil sie ohne Maske durch die Gegend rennen.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege, weil sie in Volksfeststimmung „demonstrieren“,
und dabei skandieren, sie würden in einer Diktatur leben.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege,
weil sie die Besatzungen der Krankenwagen bepöbeln und an ihrer Arbeit hindern,
während sie selbst keinen Finger rühren, um Kranken und Verletzten beizustehen.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege,
weil sie Pflegekräften und Ärzt*innen sagen, sie sollen keine Panik verbreiten,
während sie selbst noch keine*n einzige*n Corona-Patient*in gepflegt haben.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege,
weil sie Pastor*innen und Pfarrer*innen vorwerfen, diese würden sich zu viel rausnehmen,
während sie selbst keiner*keinem Verängstigten, Sterbenden, Hinterbliebenen beistehen
und auch keiner*keinem einzigen Trost spenden.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege, weil sie Medienvertreter*innen bedrohen und angreifen,
während sie darüber schwadronieren, dass „die Menschen endlich die Wahrheit erfahren sollen“.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege, weil sie jeden ankreischen, „sie würden ihre Rechte verteidigen, für Recht und Ordnung eintreten“,
während sie Polizist*innen bespucken, sie verletzen und schlimmeres zumindest in Kauf nehmen.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege, weil sie Politiker*innen als unfähig beschimpfen, sie bedrohen, sie verletzen und aus dem Weg räumen wollen,
während sie selbst die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitmenschen ablehnen
und ihr eigener „gesellschaftlicher Beitrag“ darin besteht,
andere mit ihrer selbstgerechten Arroganz zu beglücken und ihren Hass zu versprühen.
Heute geht es nicht um sie – um jene über die ich mich aufrege.
Es geht nicht um ihren Charakter. Es geht auch nicht um den Grad ihrer Intelligenz.
Es geht nicht um ihre Motive. Es geht nicht um ihre Absichten. Es geht nicht um ihre Ziele.
Es geht auch noch nicht um die Frage, in welchem Umfang und auf welche Weise sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.
Und es geht erst recht noch nicht um die monströse Frage, ob es Menschen je gelingen kann, ihnen jemals ihre Taten zu vergeben.
Heute geht es nicht um sie!
Es geht nicht um die Dummen. Heute geht es um ihre Opfer!
Heute geht es noch nicht einmal um all ihre Opfer. Heute geht es erst einmal „nur“ um einen kleinen Teil ihrer Opfer.
Heute geht es „nur“ um diejenigen ihrer Opfer, die sie allein in Deutschland schon erfolgreich umbringen konnten.
Unsere Toten sind nicht abwesend, sondern nur unsichtbar.
– Aurelius Augustinus
Sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.
Heute geht es um all jene, die einfach so aus ihrem Leben gerissen wurden.
Heute geht es um zerstörte Beziehungen
Heute geht es um die Urgroßeltern und Großeltern. Um Omas und Opas.
Heute geht es um Eltern. Um Mütter und Väter.
Heute geht es um Tanten und Onkel.
Heute geht es um Schwestern und Brüder.
Heute geht es um Kinder und Enkelkinder.
Heute geht es um Nichten und Neffen.
Heute geht es um Alte und Junge.
Heute geht es um Familienmenschen.
Heute geht es um Alleinstehende.
Heute geht es um jene Toten mit großem Freundeskreis.
Heute geht es um jene Toten, die niemanden in ihrem Leben hatten, als sich selbst.
Heute geht es um jene Corona-Toten, die betrauert werden
- von ihren Familien,
- von ihren Freund*innen,
- von ihren Kolleg*innen,
- von ihren Mitschüler*innen,
- von ihren Vereinskamerad*innen
- von ihrer Nachbarschaft,
- von all jenen, von denen sie gekannt, geschätzt, geliebt wurden.
Heute geht es um jene Corona-Toten, die niemanden haben, der um sie trauert
- um die, die keine Familie (mehr) hatten,
- um die, die in ihrer Familie fremd waren,
- um die, die keine Freund*innen hatten,
- um die, deren Freund*innen auch schon alle tot sind,
- um die, die keine Kolleg*innen (mehr) hatten,
- um die, die ihren Mitschüler*innen gleichgültig waren,
- um die, die keine Vereinskamerad*innen (mehr) hatten,
- um die, die der Nachbarschaft gleichgültig waren,
- um die, die in der Nachbarschaft gestört haben,
- um all jene, die niemand gekannt hat, die niemand kennenlernen wollte,
- um all jene, die niemand geschätzt hat,
- um all jene, die von niemandem geliebt wurden,
- um all jene, die ungesehen blieben.
Heute geht es um die Corona-Toten und um ihr einsames Sterben
- um ihre bangen Hoffnungen,
- um ihre Angst um sich selbst,
um ihre Angst davor an Geräten angeschlossen zu werden,
um ihre Angst davor im Krankenhaus sterben zu müssen,
um ihre Angst vor dem unbekannten Grauen, dass sie umgab, - um ihre Angst, dass ihre Angehörigen vielleicht ohne sie zurecht kommen werden müssen,
wenn der Tod im Zimmer näher kam, - um ihre Verzweiflung,
- um ihre Schmerzen,
- um ihre Einsamkeit,
- um ihre Tränen,
- um ihre Schreie, die lauten und die stummen,
- um ihr Leid,
- um ihre unerfüllte Sehnsucht nach Leben,
- um ihren entsetzten Kampf ums Überleben,
- um ihr Ersticken an den eigenen Körpersäften,
- um das Versagen ihrer Organe,
- um ihr qualvolles und einsames Sterben.
Die Blätter fallen.
– Rainer Maria Rilke
Fallen wie von weit, als welkten in den Himmel ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Heute, am Gedenktag der Corona-Toten, geht es um das, was fehlt
An diesem Gedenktag der Corona-Toten denken wir nach. Darüber, wer und was fehlt.
Darüber, was diejenigen bereit sind an Leid zu ertragen, die sich für die Erkrankten und Sterbenden und Hinterbliebenen einsetzen, Tag für Tag
– auch darüber denken wir zurecht nach.
Sie sind Helfer*innen und Opfer zugleich. Um an sie zu denken sollten wir, meiner Meinung nach, einen weiteren Gedenktag ins Leben rufen.
Denn beides ist gleich wichtig – die Opfer und all jene, die versuchen, das Leid zu mindern, es zu verhindern und die Zahl der Toten so gering wie irgend möglich zu halten.
Heute, am Gedenktag der Corona-Toten geht es um die Toten und um die Lücken, die sie hinterlassen.
An diesem Gedenktag der Corona-Toten denken wir nach.
Darüber, was die Toten verloren haben. Darüber, was die trauernden Hinterbliebenen verloren haben.
Wir empfinden mit. Wir fühlen mit. Wir nehmen Anteil am Leid.
So vieles ist verloren gegangen. So vieles wird schmerzlich vermisst:
- all die Lebenserfahrungen, die nicht mehr weitergereicht werden können,
- all die Lebenserfahrungen, die nie gemacht werden können,
- all das Wissen,
- all die Entdeckungen,
- all die Gemeinsamkeiten,
- all die Unterschiede,
- das Lachen,
- das Weinen,
- all die Berührungen,
- all die Zärtlichkeiten,
- all das füreinander da sein,
- all das miteinander träumen,
- alle Zukunftspläne,
- alle Hoffnungen.
So vieles fehlt nun und so viele werden für immer fehlen!
Denen, die zurück geblieben sind.
Und ihnen, die nie die Chance hatten, die Corona-Toten kennenzulernen.
Denen, die um ihre Familienangehörigen, Freund*innen und Kolleg*innen trauern.
Und unserer gesamten Gesellschaft, die durch jede*n Tote*n ärmer wird.
All die vielen Corona-Toten – sie fehlen.
Lasst uns an sie denken, nicht nur am Gedenktag der Corona-Toten.
Ich schließe mit den Worten von Bertolt Brecht, der es auf den Punkt gebracht hat:
Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.
– Bertolt Brecht
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Vielen Dank im Voraus! Ich freue mich darüber!
– Carmen Splitt aka #CSKreuzspinnerin
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